Hermann Hesses Werk geht eine exzentrische Bahn, die Überraschungen, und Umwälzung aller Werte enthält, deren Brennpunkt aber von einer Relativisierung des Eurozentrismus bestimmt ist. Er setzt sich mit dem Fremden ohne jenen Überlegenheitskomplex, der den englischen Kolonialismus und später – in noch markanter Weise – den deutschen Nationalismus gekennzeichnet hat, auseinander. Alle kennen die wirtschaftlichen und politischen Ursachen des ersten Weltkrieges, wenige Literaturgeschichtsschreiber aber betonen die Mobilmachung der deutschen Intelligenz (und deren Wirkung), die die deutsche Intervention vorbereitet und begleitet hat. Hesses Erzählwerk entstand also in einem sehr geschlossenen kulturellen Kontext, der das Deutsch-nationale verherrlichte und das Fremde verteufelte. Sein Werk wurde - auch in seiner früheren neuromantischen und sentimentalen Phase – als Alternative – mindestens als „Flucht“ vor der deutschen Kultur – rezipiert. Hesse erwerbt aus der deutschen Romantik Aspekte, die sich zu dem kulturellen Klima seiner Zeit direkt entgegensetzen. In den „Ideen von 1914“, als welche diese Strömung in die Geschichtsschreibung eingegangen ist, blieb der Krieg nicht mehr nur ein Verteidigungskampf, den das angefallene Deutschland gegen eine Übermacht von Feinden durchzustehen hatte, sondern er erhielt darüber hinaus eine höhere, schicksalhafte Notwendigkeit, die in der Gegensätzlichkeit deutschen Geistes, deutscher Kultur und deutschen Staatslebens zu den entsprechenden Lebensformen des feindlichen Auslandes begründet war. Hesse baut die deutsch-nationalen Argumente der Künstler und Gelehrte, die Aufrufe unterzeichnet hatten, in denen die fremden Kulturen verachtet wurden, ab. Hesses Diskurs erweist eine ganz andere Strategie als die des Großteils der deutschen Intelligenz seiner Zeit. Er war im Zivildienst für deutsche Kriegsgefangene engagiert, er gab Literaturzeitschriften und Romane für deutsche Kriegsgefangene heraus. Aufgabe der Künstler und Gelehrte besteht nach Hesse nicht darin, gegen die Fremden zu hetzen, sondern darin, „Brücken zu schlagen, Wege zu suchen“, um eine Versöhnung und eine Verständigung zu ermöglichen.
Umwege der Modernisierung. Hermann Hesse und das Fremde / Ponzi, Mauro. - STAMPA. - (2004), pp. 385-398.
Umwege der Modernisierung. Hermann Hesse und das Fremde
PONZI, Mauro
2004
Abstract
Hermann Hesses Werk geht eine exzentrische Bahn, die Überraschungen, und Umwälzung aller Werte enthält, deren Brennpunkt aber von einer Relativisierung des Eurozentrismus bestimmt ist. Er setzt sich mit dem Fremden ohne jenen Überlegenheitskomplex, der den englischen Kolonialismus und später – in noch markanter Weise – den deutschen Nationalismus gekennzeichnet hat, auseinander. Alle kennen die wirtschaftlichen und politischen Ursachen des ersten Weltkrieges, wenige Literaturgeschichtsschreiber aber betonen die Mobilmachung der deutschen Intelligenz (und deren Wirkung), die die deutsche Intervention vorbereitet und begleitet hat. Hesses Erzählwerk entstand also in einem sehr geschlossenen kulturellen Kontext, der das Deutsch-nationale verherrlichte und das Fremde verteufelte. Sein Werk wurde - auch in seiner früheren neuromantischen und sentimentalen Phase – als Alternative – mindestens als „Flucht“ vor der deutschen Kultur – rezipiert. Hesse erwerbt aus der deutschen Romantik Aspekte, die sich zu dem kulturellen Klima seiner Zeit direkt entgegensetzen. In den „Ideen von 1914“, als welche diese Strömung in die Geschichtsschreibung eingegangen ist, blieb der Krieg nicht mehr nur ein Verteidigungskampf, den das angefallene Deutschland gegen eine Übermacht von Feinden durchzustehen hatte, sondern er erhielt darüber hinaus eine höhere, schicksalhafte Notwendigkeit, die in der Gegensätzlichkeit deutschen Geistes, deutscher Kultur und deutschen Staatslebens zu den entsprechenden Lebensformen des feindlichen Auslandes begründet war. Hesse baut die deutsch-nationalen Argumente der Künstler und Gelehrte, die Aufrufe unterzeichnet hatten, in denen die fremden Kulturen verachtet wurden, ab. Hesses Diskurs erweist eine ganz andere Strategie als die des Großteils der deutschen Intelligenz seiner Zeit. Er war im Zivildienst für deutsche Kriegsgefangene engagiert, er gab Literaturzeitschriften und Romane für deutsche Kriegsgefangene heraus. Aufgabe der Künstler und Gelehrte besteht nach Hesse nicht darin, gegen die Fremden zu hetzen, sondern darin, „Brücken zu schlagen, Wege zu suchen“, um eine Versöhnung und eine Verständigung zu ermöglichen.I documenti in IRIS sono protetti da copyright e tutti i diritti sono riservati, salvo diversa indicazione.