Der Ort Italien geht bei Goethe Hand in Hand mit einem idealisierten und stilisierten Bild der klassischen Kunst. Die italienische Landschaft taucht in den Hymnen, besonders in dem „Wandrer“ (1773), als Beispiel dieser Idealisierung des Topos Italien in Zusammenhang mit der Mythisierung der klassischen Kunst auf. Das von Goethe überlieferte Italien-Bild ist das Produkt einer literarischen Konstruktion, eines Kulturprogramms, das ihn mehrere Jahrzehnte hindurch begleitete. Das Italien Bild entstand bei Goethe schon lange bevor er wirklich Italien besuchte. Caspar Goethes “Vorliebe” für die italienische Sprache und Kultur hat die Kindheit des Dichters gekennzeichnet. Als Goethe nach Weimar kam, fand er eine Italien-Leidenschaft in der Hofgesellschaft vor, die seinem Italien-Bild neue kunsthistorische und literarische Aspekte verlieh. Eine entscheidende Rolle in der Weimarer Kunstrenaissance hat die Herzogin Anna Amalia, die für Italien und italienische Kunst eine Vorliebe hatte, gespielt. Im Mittelpunkt der Gespräche und der Lesungen, die in ihrer Tischgesellschaft in Weimar, in Ettersburg und in Tiefurt stattfanden, standen Italien und italienische Kultur als Muster der klassischen Kunst. Anna Amalia stand im Mittelpunkt des Weimarer Kulturlebens. Um die Wende in der künstlerischen Wirkung des Italien-Bildes nach Goethes Reise nach Italien wirklich zu verstehen, muß man die Grundidee der Italienbewunderung des Tiefurter Kreises in Betracht ziehen, die Themen, Bilder, Sprache und Begriffsbestimmungen der italienische Literatur und Kunst Ende des 17. Jahrhunderts Anfang des 18. Jahrhunderts ererbt hatte. Obwohl Goethe von diesem konventionellen Italien-Bild ausging, ist er dennoch von Italien nach Weimar mit ganz anderen Vorstellungen zurückgekehrt, die den Italien-Mythos revitalisiert haben und ihn für die dichterische Produktion unmittelbar verwendbar gemacht hat. Herder lieferte das Gegenbild der italienischen Idylle: seine Briefe aus Italien schildern eine ganz andere Wirklichkeit, in der die Begeisterung der Herzogin und ihrer Reisegesellschaft kaum Platz findet. Rom mit seinem klassischen Altertum (und mit seiner katholischen Kirche) widersprach seine ethische und ästhetische Auffassung. Abgesehen von der Kunst unterstreicht Herder eher die Armut, die Schlamperei, das Unheimliche der italienischen Städte. Er hat von vornherein die utopische Charakteristik des Italien-Bildes erkannt und ihre Unzugänglichkeit für ein künstlerisches Projekt in Deutschland.

Das “malerische Auge” als „Schlüssel für alles“. Goethes Italien-Bild / Ponzi, Mauro. - STAMPA. - (2008), pp. 27-49.

Das “malerische Auge” als „Schlüssel für alles“. Goethes Italien-Bild

PONZI, Mauro
2008

Abstract

Der Ort Italien geht bei Goethe Hand in Hand mit einem idealisierten und stilisierten Bild der klassischen Kunst. Die italienische Landschaft taucht in den Hymnen, besonders in dem „Wandrer“ (1773), als Beispiel dieser Idealisierung des Topos Italien in Zusammenhang mit der Mythisierung der klassischen Kunst auf. Das von Goethe überlieferte Italien-Bild ist das Produkt einer literarischen Konstruktion, eines Kulturprogramms, das ihn mehrere Jahrzehnte hindurch begleitete. Das Italien Bild entstand bei Goethe schon lange bevor er wirklich Italien besuchte. Caspar Goethes “Vorliebe” für die italienische Sprache und Kultur hat die Kindheit des Dichters gekennzeichnet. Als Goethe nach Weimar kam, fand er eine Italien-Leidenschaft in der Hofgesellschaft vor, die seinem Italien-Bild neue kunsthistorische und literarische Aspekte verlieh. Eine entscheidende Rolle in der Weimarer Kunstrenaissance hat die Herzogin Anna Amalia, die für Italien und italienische Kunst eine Vorliebe hatte, gespielt. Im Mittelpunkt der Gespräche und der Lesungen, die in ihrer Tischgesellschaft in Weimar, in Ettersburg und in Tiefurt stattfanden, standen Italien und italienische Kultur als Muster der klassischen Kunst. Anna Amalia stand im Mittelpunkt des Weimarer Kulturlebens. Um die Wende in der künstlerischen Wirkung des Italien-Bildes nach Goethes Reise nach Italien wirklich zu verstehen, muß man die Grundidee der Italienbewunderung des Tiefurter Kreises in Betracht ziehen, die Themen, Bilder, Sprache und Begriffsbestimmungen der italienische Literatur und Kunst Ende des 17. Jahrhunderts Anfang des 18. Jahrhunderts ererbt hatte. Obwohl Goethe von diesem konventionellen Italien-Bild ausging, ist er dennoch von Italien nach Weimar mit ganz anderen Vorstellungen zurückgekehrt, die den Italien-Mythos revitalisiert haben und ihn für die dichterische Produktion unmittelbar verwendbar gemacht hat. Herder lieferte das Gegenbild der italienischen Idylle: seine Briefe aus Italien schildern eine ganz andere Wirklichkeit, in der die Begeisterung der Herzogin und ihrer Reisegesellschaft kaum Platz findet. Rom mit seinem klassischen Altertum (und mit seiner katholischen Kirche) widersprach seine ethische und ästhetische Auffassung. Abgesehen von der Kunst unterstreicht Herder eher die Armut, die Schlamperei, das Unheimliche der italienischen Städte. Er hat von vornherein die utopische Charakteristik des Italien-Bildes erkannt und ihre Unzugänglichkeit für ein künstlerisches Projekt in Deutschland.
2008
Frankreich oder Italien? Konkurrierende Paradigmen des Kunstaustausches in Weimar und Jena um 1800
9783825353452
Letteratura tedesca; interferenze culturali tra Italia e Germania nell'epoca di Goethe; Goethe e il "modello Italia"
02 Pubblicazione su volume::02a Capitolo o Articolo
Das “malerische Auge” als „Schlüssel für alles“. Goethes Italien-Bild / Ponzi, Mauro. - STAMPA. - (2008), pp. 27-49.
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