Walter Benjamin hat das Paris des zweiten Kaiserreichs als Ursprung der modernen Epoche verstanden. Die Wende, die damals zustande kam, hat die Spaltung zwischen "alten" und "neuen" Schreibweisen bewirkt. Die Großstadt ist der Ort, an dem die Veränderungen des Neuen am Deutlichsten dargestellt werden. Hier ist es nämlich leichter, sowohl den Identitätsverlust des Individuums als auch den destruktiven Charakter der Moderne festzustellen. Paris wird von Walter Benjamin als Allegorie der neuzeitlichen Veränderungen gekennzeichnet. Und Baudelaire hat diese Veränderungen rechtzeitig literarisch rezipiert; er hat aber auch gleichzeitig bemerkt, wie dieses Neue auf der systematischen, notwendigen und dauernden Zerstörung des bisher Existierenden gegründet war. Die Großstadt kann nämlich ihre neue Form nur übernehmen, indem die alten Viertel zerstört werden, um dem Neuen Raum zu schaffen. Benjamin unterstreicht wiederholt, daß der französische Dichter den vergänglichen Charakter der modernen Epochen in den Mittelpunkt seiner Werke gesetzt hatte. Die Überlegenheit der Baudelaireschen Dichtung im Vergleich zur modernen Poesie besteht darin, daß er sein poetisches Objekt (d.h. die Großstadt) mit Distanz behandelt. Wie Benjamin schreibt: "Daß Baudelaire dem Fortschritt feindlich gegenüberstand, ist die unerläßliche Bedingung dafür gewesen, daß er Paris in seiner Dichtung bewältigt hat. Mit der seinen verglichen, steht alle spätere Großstadtlyrik im Zeichen der Schwäche. Ihr fehlt eben die Reserve ihrem Sujet gegenüber, die Baudelaire seiner frenetischen Feindschaft gegen den Fortschritt zu danken hatte".
Benjamin und Baudelaire als Kritiker der Moderne / Ponzi, Mauro. - STAMPA. - 6(2000), pp. 128-148.
Benjamin und Baudelaire als Kritiker der Moderne
PONZI, Mauro
2000
Abstract
Walter Benjamin hat das Paris des zweiten Kaiserreichs als Ursprung der modernen Epoche verstanden. Die Wende, die damals zustande kam, hat die Spaltung zwischen "alten" und "neuen" Schreibweisen bewirkt. Die Großstadt ist der Ort, an dem die Veränderungen des Neuen am Deutlichsten dargestellt werden. Hier ist es nämlich leichter, sowohl den Identitätsverlust des Individuums als auch den destruktiven Charakter der Moderne festzustellen. Paris wird von Walter Benjamin als Allegorie der neuzeitlichen Veränderungen gekennzeichnet. Und Baudelaire hat diese Veränderungen rechtzeitig literarisch rezipiert; er hat aber auch gleichzeitig bemerkt, wie dieses Neue auf der systematischen, notwendigen und dauernden Zerstörung des bisher Existierenden gegründet war. Die Großstadt kann nämlich ihre neue Form nur übernehmen, indem die alten Viertel zerstört werden, um dem Neuen Raum zu schaffen. Benjamin unterstreicht wiederholt, daß der französische Dichter den vergänglichen Charakter der modernen Epochen in den Mittelpunkt seiner Werke gesetzt hatte. Die Überlegenheit der Baudelaireschen Dichtung im Vergleich zur modernen Poesie besteht darin, daß er sein poetisches Objekt (d.h. die Großstadt) mit Distanz behandelt. Wie Benjamin schreibt: "Daß Baudelaire dem Fortschritt feindlich gegenüberstand, ist die unerläßliche Bedingung dafür gewesen, daß er Paris in seiner Dichtung bewältigt hat. Mit der seinen verglichen, steht alle spätere Großstadtlyrik im Zeichen der Schwäche. Ihr fehlt eben die Reserve ihrem Sujet gegenüber, die Baudelaire seiner frenetischen Feindschaft gegen den Fortschritt zu danken hatte".I documenti in IRIS sono protetti da copyright e tutti i diritti sono riservati, salvo diversa indicazione.