Hermann Hesses Rezeption in Europa – und besonders in Deutschland – wurde bis zum Ende des zweiten Weltkrieges eben nicht von einem riesigen Erfolg gekennzeichnet. Der Ausbruch seines internationalen Erfolgs war auch der Anfang einer Reihe von Paradoxen, die die Rezeption seines Werks begleiteten. Hesses Werk war nur ein Vorwand, um die innenspezifischen Ansprüche und Träume der jungen amerikanischen Generationen ausdrücken zu können. Selbst Timothy Leary ist der Autor des größten (und eigentlich geglückten) Mißverständnisses in der Geschichte der Hesse-Rezeption: «Die Kritiker erzählen uns, Hesse sei ein meisterhafter Romancier. Doch der Roman ist ein soziales Modell und das Soziale ist in Hesse esoterisch. Timothy Leary behauptet: «Hesses eigentliche Mitteilung entgeht der Mehrzahl der Leser». Im Fall Hermann Hesses übernimmt das Phänomen eine weltweite Größe. Warum also Hermann Hesse? Sein internationaler Erfolg wird nur durch die Interferenzen seiner Rezeption, jene <Anreicherung an Bedeutung> durch die Leser, jenen <hinzugefügten Wert>, der durch die Kommunikations- und Rezeptionskontingenz ermöglicht wurde, verursacht. Sie wurden aber von der Struktur des literarischen Textes erleichtert Hesses Rezeption in Italien – abgesehen von einer auffallenden Ausnahme – ist den gleichen Gang der deutschen Interpretation gegangen. Die Struktur der Werke von Hesse setzt – wie schon bemerkt – einen impliziten Leser voraus, der sehr aktiv sein muß und die Lücken und Sprünge des fiktiven Textes mit subjektiven Interferenzen füllt. Hesse hat seine fiktiven Texte mit einer einfachen, allgemeinen Sprache aufgebaut und seine kommunikative Absicht stimmt mit seiner in vielen Briefen an die Leser geäußerten Stellungnahme überein: er lieferte nämlich keine authentische Interpretation seiner Werke sondern empfahl seinen Lesern, ihre eigene Lesestrategie zu suchen. Der literarische Text ist derart strukturiert, daß er eine Zusammenarbeit zwischen Autor und Leser vorsieht. Wolfgang Iser spricht vom «impliziten Leser» und Umberto Eco vom «Modell-Leser», die ebenfalls vom «empirischen Leser» zu unterscheiden sind. Der Leser kann aber nicht immer mit der Schnelligkeit des Textes mithalten. Eco betont, daß der Modell-Leser einer Geschichte nicht der empirische Leser ist: «Der Modell-Leser ist eine Art Ideal-Leser, den der Text nicht nur als Mitarbeiter vorsieht, sondern sich auch zu erschaffen versucht. Die «hinzugefügten» Bedeutungen reichern normalerweise sekundäre Sinngebungen an, nicht aber so bei Hermann Hesse. Aufgrund der amerikanischen Rezeption greifen immer neue Leser neugierig zu Hesses Erzählwerk. Den eigentlichen Sinn seines Werks zu begreifen, hilft uns nicht, seinen außerordentlichen und weltweiten Erfolg zu verstehen. Hesses Sprache entspricht der Einfachheit der Sprache der Jugendlichen. Der weltweite Erfolg gründet nicht nur auf dem Zufall der amerikanischen Rezeption, sondern auch auf der inneren Struktur der <armen> und <einfachen> Sprache seines Werks.

Der Wald und die Steppe / Ponzi, Mauro. - In: HERMANN-HESSE-JAHRBUCH. - ISSN 1614-1423. - STAMPA. - 2:2(2005), pp. 1-17.

Der Wald und die Steppe

PONZI, Mauro
2005

Abstract

Hermann Hesses Rezeption in Europa – und besonders in Deutschland – wurde bis zum Ende des zweiten Weltkrieges eben nicht von einem riesigen Erfolg gekennzeichnet. Der Ausbruch seines internationalen Erfolgs war auch der Anfang einer Reihe von Paradoxen, die die Rezeption seines Werks begleiteten. Hesses Werk war nur ein Vorwand, um die innenspezifischen Ansprüche und Träume der jungen amerikanischen Generationen ausdrücken zu können. Selbst Timothy Leary ist der Autor des größten (und eigentlich geglückten) Mißverständnisses in der Geschichte der Hesse-Rezeption: «Die Kritiker erzählen uns, Hesse sei ein meisterhafter Romancier. Doch der Roman ist ein soziales Modell und das Soziale ist in Hesse esoterisch. Timothy Leary behauptet: «Hesses eigentliche Mitteilung entgeht der Mehrzahl der Leser». Im Fall Hermann Hesses übernimmt das Phänomen eine weltweite Größe. Warum also Hermann Hesse? Sein internationaler Erfolg wird nur durch die Interferenzen seiner Rezeption, jene durch die Leser, jenen , der durch die Kommunikations- und Rezeptionskontingenz ermöglicht wurde, verursacht. Sie wurden aber von der Struktur des literarischen Textes erleichtert Hesses Rezeption in Italien – abgesehen von einer auffallenden Ausnahme – ist den gleichen Gang der deutschen Interpretation gegangen. Die Struktur der Werke von Hesse setzt – wie schon bemerkt – einen impliziten Leser voraus, der sehr aktiv sein muß und die Lücken und Sprünge des fiktiven Textes mit subjektiven Interferenzen füllt. Hesse hat seine fiktiven Texte mit einer einfachen, allgemeinen Sprache aufgebaut und seine kommunikative Absicht stimmt mit seiner in vielen Briefen an die Leser geäußerten Stellungnahme überein: er lieferte nämlich keine authentische Interpretation seiner Werke sondern empfahl seinen Lesern, ihre eigene Lesestrategie zu suchen. Der literarische Text ist derart strukturiert, daß er eine Zusammenarbeit zwischen Autor und Leser vorsieht. Wolfgang Iser spricht vom «impliziten Leser» und Umberto Eco vom «Modell-Leser», die ebenfalls vom «empirischen Leser» zu unterscheiden sind. Der Leser kann aber nicht immer mit der Schnelligkeit des Textes mithalten. Eco betont, daß der Modell-Leser einer Geschichte nicht der empirische Leser ist: «Der Modell-Leser ist eine Art Ideal-Leser, den der Text nicht nur als Mitarbeiter vorsieht, sondern sich auch zu erschaffen versucht. Die «hinzugefügten» Bedeutungen reichern normalerweise sekundäre Sinngebungen an, nicht aber so bei Hermann Hesse. Aufgrund der amerikanischen Rezeption greifen immer neue Leser neugierig zu Hesses Erzählwerk. Den eigentlichen Sinn seines Werks zu begreifen, hilft uns nicht, seinen außerordentlichen und weltweiten Erfolg zu verstehen. Hesses Sprache entspricht der Einfachheit der Sprache der Jugendlichen. Der weltweite Erfolg gründet nicht nur auf dem Zufall der amerikanischen Rezeption, sondern auch auf der inneren Struktur der und Sprache seines Werks.
2005
Letteratura tedesca; Hermann Hesse; ricezione e strategia di scrittura
01 Pubblicazione su rivista::01a Articolo in rivista
Der Wald und die Steppe / Ponzi, Mauro. - In: HERMANN-HESSE-JAHRBUCH. - ISSN 1614-1423. - STAMPA. - 2:2(2005), pp. 1-17.
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